Gülcans Suche: Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit – Teil 2

Gülcan befindet sich an einem Wendepunkt. Eine Ausbildung bringt ihr neue Lebensfreude. Die Trennung von ihrem Mann schafft Freiheit. Gleichzeitig wird die Frage nach Gott immer drängender.
Grafik: Blogbild zum Thema Gülcans Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit

Am Wendepunkt

1995 durfte ich dann endlich eine einjährige Ausbildung zur Krankenpflegehelferin beginnen, sogar mit Erlaubnis meines Mannes. Durch die Anerkennung und Liebe, die ich von den Patienten bekam, fing ich wieder an zu leben und Freude zu spüren.

Drei Monate vor Ausbildungsende verprügelte mein Mann mich wieder einmal, weil ich nicht seiner Meinung war. Es passierte an unserem sechsten Hochzeitstag. Das war für mich der Wendepunkt. Ich sagte mir: „Du musst dich jetzt entscheiden. Entweder du lebst so weiter oder du bringst dich um oder du haust ab.“

So weiterzuleben kam für mich nicht in Frage! Sterben wollte ich auch nicht. Also blieb nur eins: abhauen! Mir war allerdings bewusst, was das für mich bedeuten würde: Lange auf der Flucht sein, mit der Angst im Nacken, dass mein Mann mich findet und tötet. Und es bedeutete, meine Eltern zu verlieren. Trotzdem beschloss ich zu fliehen. Diese Ehe weiterzuführen wäre in meinen Augen schlimmer gewesen, als zu sterben oder die Eltern zu verlieren.

Also fing ich an, meine Flucht zu planen und dabei möglichst nicht aufzufallen. Ich hatte nur einen Versuch. Das war mir klar. Zwei Kollegen halfen mir schließlich dabei, meinen Mann nach meiner Abschlussprüfung zu verlassen. Die neue Heimat und einen Arbeitsplatz hatte ich zuvor bereits organisiert. Alles, was ich an Geld oder Schmuck hatte, ließ ich zurück. Ich wollte NIE wieder hören: „Das hast du mir zu verdanken.“

„Entweder du lebst so weiter oder du bringst dich um oder du haust ab.“

Zu meinen Eltern nahm ich telefonisch Kontakt auf und erklärte ihnen, dass sie mich nicht suchen dürften, wenn sie Kontakt zu mir halten wollten. Ich würde mich telefonisch melden. Mein Vater akzeptierte meine Entscheidung. Meine Mutter hingegen versuchte im Laufe der nächsten zwei Jahre immer wieder, mich dazu zu überreden, zu meinem Mann zurückzugehen.

Mein Mann beging bei der Suche nach mir eine Straftat und wurde ein halbes Jahr nach seiner Inhaftierung abgeschoben. Trotzdem lebte ich in Angst, weil ich über meine Eltern und Freunde sehr ambivalente Briefe von ihm erhielt. Der Scheidungskrieg dauerte vier Jahre – bis Ende 2001.

Neuanfang

Ende 1998 lernte ich meinem jetzigen Mann kennen. Wir beide wussten, dass wir zusammengehören. Nach vielen Hindernissen und Ablehnung von Seiten meiner Familie heirateten wir ein halbes Jahr nach meiner Scheidung.

Der nächste und wichtigste Wendepunkt in meinem Leben war der Moment, als ich mich fragte, wie wir unsere zukünftigen Kinder erziehen sollen. Muslimisch oder christlich? Meinem Mann war es egal, da er nicht aktiv nach der Bibel lebte. Für ihn war die Hauptsache, dass die Kinder sich anderen Menschen gegenüber anständig und respektvoll verhalten.

Ich selbst wollte die Kinder nie zu etwas zwingen. Daher entschied ich mich, ihnen beide Religionen zu vermitteln. Sie sollten selber entscheiden, woran sie einmal glauben wollen. Da es für mich eine ernste Sache war, wollte ich ihnen beides auf keinen Fall oberflächlich vermitteln.

Für den Islam hatte ich genug Lesestoff, aber für das Christentum? Ich sprach einen Pfarrer an. Er sollte mir vermitteln, was ich wissen muss. Allerdings konnte er meinen kritischen Fragen nicht standhalten. Das war für mich ein Zeichen, dass er nicht 100 %ig hinter seinem Glauben stand. Ich suchte verzweifelt jemanden, der von seinem Glauben überzeugt war.

Wie geht es weiter? Lies nächste Woche im Blog: Wie Gülcan zum lebendigen Gott findet und ein neues Leben mit ihm beginnt.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.